Gojibeere
- Regional: wenig
- Saison in der Schweiz: August bis Oktober
Seit einigen Jahren werden in Europa hauptsächlich exotische Lebensmittel als „Superfood“ vermarktet. Heidelbeeren gehören zwar ebenfalls dazu, sind jedoch nicht sonderlich prominent in der Werbung vertreten. Nein, Chia-Samen, Yacon, Amaranth oder Quinoa und Goji, das sind Namen mit Biss, das klingt neu. Bei uns nahezu unbekannten Lebensmitteln scheinen die Heilsversprechen glaubhafter.
Die Beeren des Gemeinen Bocksdorn (auch „Wolfsbeere“) werden als Goji entsprechend beworben. Die „Wunderfrüchte“ (Original-Ton) sollen für gesunde Augen bis ins hohe Alter sorgen, überhaupt die negativen Folgen des Alterns mildern, als Antioxidans wirken, Krebs vorbeugen, die Stimmung aufhellen, vor Herzkrankheiten schützen, den Blutdruck regulieren, vor Vitaminen und Mineralien nur so strotzen (z. B. Eisen), die kognitiven Fähigkeiten erhöhen, die Haut verjüngen und straffen dank „Frischzellbildungsprozess“, sportliche Leistungen verbessern, Fett abbauen, die Potenz steigern sowie besonders das Immunsystem stärken. Und das ist noch nicht einmal alles. Wow!
Die Werbestrategie geht auf. Nicht bloss als Eintagsfliege, wie sonst üblich, sondern als längerfristiger Trend. Leute, die Karotten nicht von Radieschen unterscheiden können, verzehren „Superfood“, weil der ach so gesund sei. Dafür sind Konsumenten durchaus bereit, mehr Geld auszugeben. Frische Bocksdorn-Beeren kosten ein Vermögen, während sie im Detailhandel getrocknet oder als Saft und Konserven mittlerweile erschwinglich geworden sind (weiterhin teurer als vergleichbare heimische Produkte). Erst seit einigen Jahren bauen wenige Landwirte in Europa die aus China stammenden Beeren ebenfalls an, so auch in der Schweiz. Zucht im eigenen Garten ist genauso möglich (die Pflanze verträgt Frost); für Töpfe werden sie jedoch zu gross.
Der grösste Teil der Beerenprodukte stammt nach wie vor aus China, wo man es mit Umweltschutz (noch) nicht so genau nimmt und grosszügig Pflanzenschutzmittel verspritzt. In stichprobenartigen Laborversuchen fällt die Mehrzahl der getesteten Beeren jeweils durch. Teilweise enthalten sie Rückstände von so vielen Pestiziden, dass sogar Schweizer Erdbeeren neidisch werden. Mit einem wesentlichen Unterschied: Schweizer Bioprodukte sind nicht belastet, chinesische hingegen oft. Die letzte uns bekannte Untersuchung in der Schweiz wurde im Auftrag des Gesundheitstipps 2010 durchgeführt (mit verheerendem Ergebnis). Anderswo wurden Stichproben seither geprüft, beispielsweise für „Öko-Test“ in Deutschland. Dort enthielten die Proben bis zu 16 verschiedene Schädlingsbekämpfungsmittel, stellenweise über dem gesetzlichen Grenzwert. In einigen Proben fand sich ausserdem Blei, überall Enterobakterien. Das einzige in der Schweiz erhältliche Produkt war trotz Bio wegen Pestizidrückständen ungenügend.
Abgesehen davon wären die Wolfsbeeren ja tatsächlich gesund, vom Nährwert her laut Experten ungefähr vergleichbar mit Johannisbeeren oder Himbeeren. Die von der Werbung versprochenen Wunderwirkungen sind jedoch grösstenteils unbewiesen. In Studien konnte die Pflanze das Immunsystem stärken, Bocksdorn-Extrakte seien antioxidativ und dazu in der Lage, bei Grünem Star vor der Zerstörung des Sehnervs zu schützen. Mühelos abnehmen? Gesteigerte Potenz? Jungbrunnen? Nix. Anderslautende Erfahrungsberichte erklären Mediziner mit dem Placebo-Effekt; im Labor, in Doppelblind-Studien und bei Menschen, die sich nicht von Werbe-Versprechen einlullen lassen, bleiben diese Ergebnisse aus. „Studien“, die anderes behaupten, sind überholt (eine stammt aus 1890), zweifelhaft durchgeführt oder stammen gleich von den Produzenten. Erwiesen ist allerdings, dass Goji-Tee und Saft die Wirkung von blutverdünnenden Medikamenten verstärken können. In mehreren Fällen verschlechterte sich bei Patienten deshalb die Blutgerinnung.
Aus gesundheitlichen Gründen muss man Wolfsbeeren also nicht essen. Kulinarisch können sie mehrheitlich ebenfalls nicht überzeugen. Je nach Sorte sind sie süss, säuerlich bis hin zu extrem sauer. Sogar Fans bezeichnen das Aroma zumindest als „gewöhnungsbedürftig“, zumal die Beeren einen bitteren Nachgeschmack hinterliessen.
Verwendet werden sie roh, in Müesli, als Tee oder Saft.
In der Schweizer Nährwertdatenbank ist nur ein Produkt mit unvollständigen Hersteller-Angaben verzeichnet.