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Vegetarier und Veganer mindern Tierleid.

Bild: Andrea Izzotti / stock.adobe.com

Verminderung von Tierleid

In unserer fleischhungrigen Zeit sind Nutztiere zur Ware verkommen (nach Schweizer Gesetz haben sie immer noch den Status einer „Sache“), die möglichst hohe Gewinne abwerfen soll. Es ist beispielsweise von „Hochleistungskühen“ mit „Qualitätseutern“ oder seit kurzem dem „Zweitnutzungshuhn“ die Rede, Ausdrücke, die deutlich unterstreichen, wie die Gesellschaft derzeit zu Nutztieren steht. Auch wenn die Werbung anderes behauptet, geht es in erster Linie nicht um „Tierwohl“, sondern um Geld.

Einigen ist Tierleid herzlich egal (so, wie es manchem vollkommen gleichgültig ist, dass Menschen unter unwürdigen Umständen leben oder sterben). Doch Viele müssen es verdrängen, damit sie überhaupt Fleisch und tierische Produkte im Allgemeinen konsumieren können. Setzten sie sich wirklich mit dem auseinander, was täglich in Ställen und automatisierten Schlachthöfen geschieht, brächten sie keinen Bissen Fleisch mehr herunter. Die Mehrheit der Fleischkonsumenten schaut simpel weg und verzichtet mal einen Tag oder zwei, wenn das schlechte Gewissen sich wegen eines Medienberichtes trotzdem meldet. Sie haben leider von den realen Zuständen keine Ahnung. Bei Umfragen geben bis zu zwei Drittel der Befragten an, grossen Wert auf artgerechte Haltung zu legen und glauben, dass die Schweizer Tierschutzgesetze das fordern.

Tatsächlich sind unsere Gesetze strenger als nur schon im benachbarten Ausland oder in der USA. So sind bei uns betäubungslose Schlachtung von Säugetieren ebenso verboten wie Käfigbatterien, betäubungsloses Kastrieren, Schnäbel und Schwänze coupieren, Anbindehaltung oder länger als 6 Stunden dauernde Schlachttiertransporte, um nur einige der Scheusslichkeiten zu erwähnen, die Nutztiere weltweit zu erleiden haben. Allerdings gibt es auch bei uns Massentierhaltung mit zahlreichen gesetzlich sanktionierten Missständen. 20 Hühner pro Quadratmeter, enthornte Kühe, Ställe ohne Einstreu, fehlender Auslauf und Spaltenböden sind mit dem Tierschutzgesetz konform, einmal davon abgesehen, dass Gesetzesverstösse keine Seltenheit darstellen. Auf Schweizer Tellern wird zudem nicht nur Schweizer Fleisch serviert. Laut „Schweizer Fleisch“ vertilgte der Schweizer 2015 durchschnittlich 51,35 kg Fleisch, insgesamt 431’852 Tonnen totes Tier (ohne Fische und Krustentiere). Davon stammen 80 % aus dem Inland. Doch der Verband der Fleischproduzenten weist auf den Einkaufstourismus hin. Das im Ausland gekaufte Fleisch stammt teilweise aus Ländern, wo nicht nur die Tiere unter übelsten Bedingungen gehalten und getötet werden, sondern auch die Arbeiter der Fleischfabriken unter unwürdigsten und krank machenden Umständen schuften.

In der Schweiz gebe es keine Massentierhaltung, heisst es manchmal (z. B. vom Bundesrat). Das stimmt nicht. Verglichen mit anderen Ländern darf ein Betrieb zwar weniger Tiere besitzen, aber laut der Höchstbestandesverordnung sind maximal 2’000 Ferkel, 27’000 Mastpoulets, 18’000 Legehennen, 9’000 Masttruten oder 300 Mastkälber gestattet. Das ist Massentierhaltung, obwohl nur einige Unternehmen die Höchstgrenzen ausnutzen. Noch. Die Entwicklung geht eindeutig in diese Richtung. So gibt es heute wie im Jahr 2000 rund 1,5 Millionen Schweine in der Schweiz, doch die Anzahl der Betriebe ist von 15’347 auf 7’045 gesunken. Die Zahl der Grossbetriebe mit mehr als 800 Schweinen hat sich fast verdoppelt.

Bund und Kantone unterstützen etwas tierfreundlichere Haltung mit Direktzahlungen an die Landwirte, die an den Programmen BTS (Besonders Tierfreundliche Stallhaltungssysteme) oder RAUS (Regelmässiger Auslauf im Freien) teilnehmen. Bei BTS sind zwei räumlich getrennte Bereiche Pflicht, in der Regel ein Fress- und ein Liegebereich, der über Einstreumaterial verfügen muss. RAUS verlangt genau das, was der Name sagt: Regelmässigen Auslauf im Freien, auch in den Wintermonaten. Die Programme sind mehr oder minder unabhängig voneinander; niemand muss sich zwingend an beiden beteiligen. Für Biobetriebe sind sie in der Regel Pflicht, wobei je nach Label verschiedene zusätzliche Anforderungen gelten. Der Anteil an Kraftfutter ist begrenzt, die Tiere haben mehr Platz und Beschäftigungsmöglichkeiten, Möglichkeiten zur Abkühlung müssen vorhanden sein. Aber jeder Zoo, der seine Tiere nach diesen Bedingungen hielte, würde von empörten Tierschützern abgefackelt. Wenigstens bieten die Bio-Betriebe einen Mindeststandard, den man mit viel gutem Willen als einigermassen artgerecht bezeichnen kann.

Da klingt es gut, wenn die grossen Detailhändler angeben, dass der Anteil an Labelfleisch 60 % beträgt. In Wirklichkeit sagt diese Zahl jedoch nichts aus über den tatsächlichen Konsum von Biofleisch, der in der Schweiz gerade mal auf 3 % geschätzt wird. Der Widerspruch ist nur scheinbar: Zu den Labeln gehört beispielsweise „Schweizer Fleisch“, das nur für die Herkunft bürgt. An die Tierhaltung gelten ausser den gesetzlichen Auflagen keine besonderen Anforderungen.

Ist das Dasein für Bio-Nutztiere etwas angenehmer, werden sie am Ende ihres kurzen Lebens wieder gleich behandelt. Der Transport erzeugt Stress, auch wenn dank STS, dem Schweizer Tierschutz, die Bedingungen fortlaufend verbessert werden.

Stets heisst es, die Tiere litten nicht oder kaum bei der Tötung, da sie nur unter Betäubung erfolgen darf. Nur ist sie in grossen Schlachthöfen wegen des Zeitdrucks oft nicht ausreichend, zu kurz oder wirkungslos. In Deutschland sollen hunderttausende von Rindern und Schweinen bei vollem Bewusstsein zerlegt und gesiedet werden.

Letztlich stört sich die Mehrzahl der Vegetarier und Veganer jedoch am Grundkonzept: Ein intelligentes, fühlendes Wesen aufzuziehen und ohne echte Notwendigkeit in jugendlichem Alter zu töten, widerspricht unseren ethischen Vorstellungen zutiefst. Die Gesellschaft als Ganzes findet das offensichtlich akzeptabel, doch es ist zu hoffen, dass sich im Laufe der Jahre mehr und mehr Leute daran stören werden. Es wird allerdings bestenfalls Jahrzehnte dauern, bis die allgemeine Grundhaltung nur annähernd ins Wanken geraten wird. Noch bleibt für Mehrheit Genuss wichtiger als das Wohlbefinden empfindungsfähiger Lebewesen. Für die Gesundheit ist eine vegetarische Ernährung eher Vor- als Nachteil.

Ovo-lacto-Vegetarier tragen eindeutig zur Verminderung des Tierleides bei. Aber Milch gibt es nur, wenn eine Kuh gekalbt hat. Das wiederum bedeutet Kalb- oder Rindfleisch, abgesehen davon, dass nicht alle Milchkühe wirklich angenehme Lebensbedingungen haben. Für Eier gilt dasselbe: Aus jedem zweiten Ei schlüpft nun einmal ein männliches Küken, das derzeit hauptsächlich getötet wird. Der Kükenshredder hat trotz zahlreichen früheren Zeitungsmeldungen vor einigen Monaten endlich genügend Aufmerksamkeit erregt, dass diese Thematik aufgegriffen wurde. Unter dem Druck der Öffentlichkeit geht der Trend jetzt dahin, die Tiere ein paar Wochen länger leben zu lassen, um sie als Geflügelfleisch zu verkaufen (dadurch sollte wenigstens der Bedarf an Masthuhnproduktion etwas sinken). In Österreich ist das für Bio-Eier Pflicht. Unverändert kurz bleibt aber das Leben der Legehennen: Nach rund einem Jahr rentieren sie sich nicht mehr für die Eierproduzenten (nur ein Teil endet als Suppenhuhn; der Rest wird entsorgt). Ovo-Lacto-Vegetarier tragen also auch zu diesem Dilemma bei.

Trotzdem sei an dieser Stelle betont, dass es bereits hilft, weniger Fleisch zu essen und, wenn es denn schon sein muss, vermehrt auf Qualität und damit auf Biolabel zu achten. Für die eigene Gesundheit ist das ebenfalls ein Vorteil.

In Wirklichkeit hält in der Schweiz der Trend zum Billigfleisch an. Die Aussagen der Konsumenten in sämtlichen Umfragen, wonach sie statt auf einen niedrigen Preis vor allem wert auf naturnahe Produktion und artgerechte Haltung legen, bleibt für die meisten blosses Lippenbekenntnis. „Tierwohl“ (an sich ein heuchlerischer Begriff in diesem Zusammenhang) ist ok, so lange das Fleisch preiswert ist. Einkaufstouristen versuchen ohnehin, die billigsten Stücke zu ergattern, damit sich die Fahrt am Ende tatsächlich lohnt.

Wem das Wohl der Tiere am Herzen liegt, verzichtet auf Fleisch und Fisch sowie nach Möglichkeit auch andere tierische Produkte.