Gesundheitliche Gründe
Viele Vegetarier und Veganer haben ihre Ernährung aus gesundheitlichen Gründen umgestellt. Einfach Fleisch und Fisch bzw. weitere tierische Produkte wegzulassen, reicht allerdings noch nicht aus für eine gesunde Ernährungsweise. Sie erfordert vielmehr Abwechslung sowie bewusste Auseinandersetzung mit Lebensmitteln und Nährstoffen.
Unzählige Studien kommen zum gleichen Ergebnis: Vegetarier leiden nicht oder kaum an Mangelerscheinungen (gewiss nicht häufiger als die Fleisch und Fisch konsumierende Kontrollgruppe), erkranken nicht so oft an Krebs, haben eine niedrigere Sterberate bzw. leben durchschnittlich länger, sind weniger von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen, haben bessere Blutdruckwerte und seltener Übergewicht. Kurz, sie sind gesünder in jeglicher Hinsicht. Hierüber sind sich die Experten einig (z. B. die eidgenössische Ernährungskommission). Viele Schulmediziner vertreten mittlerweile die Ansicht, dass es sich bei Fleisch um ein minderwertiges Nahrungsmittel handle. Die WHO hat 2015 verarbeitetes Fleisch wie Wurst und Schinken auf die Liste der krebserregenden Stoffe gesetzt und stuft rotes Fleisch als „wahrscheinlich krebserregend“ ein.
Diese Ergebnisse werden aber relativiert durch die Tatsache, dass Leute, die kaum Fleisch und Fisch essen (höchstens einmal in der Woche, je nach Studie weniger) eben so gute Werte erzielen, manchmal sogar noch bessere. Ausserdem sind Vegetarier häufiger Nichtraucher, trinken seltener Alkohol, treiben mehr Sport, achten eher auf die Ernährung und pflegen generell eine gesündere Lebensweise. Obschon viele nach einer Umstellung auf pflanzliche Kost über verbessertes Wohlbefinden berichten, konnte bisher keine einzige wissenschaftliche Untersuchung den Beweis erbringen, dass vegetarische Ernährung allein die Gesundheit fördert. Stattdessen kommt eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Oxford zum Schluss, dass der Fleischkonsum keinen Einfluss auf die Lebensdauer habe. Die Daten von 60’000 Personen wurden ausgewertet, wobei ein Drittel vegetarisch ass, ein Drittel wenig Fleisch oder lediglich Fisch, das letzte Drittel mindestens fünfmal je Woche Fleisch. Alle Teilnehmer hätten gesund gelebt sowie genügend Früchte und Gemüse zu sich genommen (im Unterschied zum normalen Fleischkonsumenten, auf den eben das oft nicht zutrifft). In dieser Studie starben ungefähr gleich viele Vegetarier an Herz- und Gefässkrankheiten wie Mischköstler.
Trotz dieser Studie gilt es nach wie vor als gesund, nur sehr wenig Fleisch und Fisch zu konsumieren. Darum kann man genauso gut ganz darauf verzichten, beispielsweise den Tieren und der Umwelt zuliebe. Zudem meiden wir so Antibiotika und weitere Medikamentenrückstände im Fleisch, Stresshormone, die Folgen von BSE und andere Krankheitserreger (siehe auch Fleischskandale).
Zu einer ausgewogenen Ernährung gehören immer Abwechslung und möglichst vollwertige Nahrung, also viel frisches Gemüse, Früchte und Vollkornprodukte. Experten raten ab von stark verarbeiteten Lebensmitteln (wozu die meisten Fleischersatzprodukte zählen wie z. B. Quorn). Nehmen Sie nicht mehr als den Tagesbedarf an Eiweiss zu sich (vermutlich eher hoch bemessene 0,8 g je Kilogramm Körpergewicht). Salz benötigen Erwachsene 2 bis 3 g täglich mit einer empfohlenen Höchstmenge von 5 g (z. B. durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung; die WHO empfiehlt maximal 5 g; zu berücksichtigen ist dabei natürlich ebenfalls das Salz in Produkten wie Brot, Hüttenkäse, Fertiggerichten usw.).
Von reiner Rohkost rät eine Mehrzahl der Ernährungswissenschaftler ab (beginnend mit einer Studie der Universität Giessen aus 1998, die u. a. ungenügende Versorgung mit Protein, Mineralien und Jod aufzeigte). Dennoch sollten Sie einen Teil der Früchte und Gemüse roh verzehren, weil durch Kochen viele Vitamine zerstört und andere Nährstoffe wie Spurenelemente oder Flavonoide teilweise ausgeschwemmt werden. Empfehlenswert ist auch Dünsten statt Kochen (beispielsweise durch einen einfachen Einsatz im Kochtopf – Erhitzen vernichtet jedoch immer einen Teil der Vitamine). Sie sollten der Nährstoffe wegen Ihr Obst auch nicht schälen. Dafür ist Gekochtes leichter verdaulich. Manche Lebensmittel wie grüne Bohnen sind sogar nur in durchgegartem Zustand geniessbar (sogenanntes Phasin, eine toxische, nicht hitzebeständige Eiweissverbindung, ist in fast allen Hülsenfrüchten vorhanden, ebenso in anderen Nutzpflanzen wie beispielsweise der Kartoffel). Ebenfalls zu beachten sind schonende Methoden der Haltbarmachung, wozu Einfrieren und Dörren zählen, nicht aber Konservenbüchsen.
Der veganen Ernährung stehen Fachleute nach wie vor kritischer gegenüber, weil einiges Wissen nötig ist, um eine Mangelernährung zu vermeiden. Veganer und strenge Vegetarier müssen sich also ausreichend informieren, was ich grundsätzlich auch Mischköstlern und Ovo-Lacto-Vegetariern empfehle. Verlassen Sie sich dabei aber nicht auf ein einziges Buch oder gar eine Website. Bitten Sie im Zweifelsfall Ihren Hausarzt um Rat.
Bei alledem darf man den psychologischen Faktor nicht vergessen: Wichtig ist, dass wir uns gut fühlen und dass wir unser Essen geniessen können. Ein gutes Beispiel sind Weizensprossen. Sie sind unglaublich gesund, aber die Meisten empfinden den Geschmack als fürchterlich. Wenn wir etwas, das wir widerlich finden, um der Gesundheit willen in uns hereinstopfen, den Brechreiz niederzwingend, sorgt das für Frustration, die in der Regel mehr schadet, als das gesunde Lebensmittel nützen kann (von verschriebenen Medikamenten und Ähnlichem abgesehen natürlich).
Berücksichtigt man jedoch die zunehmenden Fleischskandale, resistente Bakterien usw., ist es einfacher, die Gesundheit durch vegetarische (oder vegane) Ernährung zu erhalten und zu fördern.