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Referenzwerte

Bild: djama / stock.adobe.com

Referenzwerte und Nährwerttabellen

Ich habe reiflich überlegt, ob wir auf diesen Seiten Referenzwerte für den Tagesbedarf und Auszüge aus Nährwerttabellen aufführen sollen. Sicherlich sind die Angaben sehr hilfreich, um eine Richtschnur zu geben, was der Mensch braucht, aber wir wollen beispielsweise keinesfalls die ständig wieder aufflammende Vitaminhysterie zusätzlich anheizen. In den Medien ist regelmässig über teils massive Unterversorgung in Europa zu lesen. „Jeder Fünfte hat Vitamin A-Mangel!“ oder „90 % der Bevölkerung sind unterversorgt mit Folsäure“, um nur zwei Beispiele zu nennen. Rein rechnerisch sind sie wahrscheinlich korrekt. Solche Studien vergleichen allerdings lediglich den empfohlenen Tagesbedarf mit einem theoretischen Nahrungsmittelverbrauch oder beziehen sich auf eine kleine Gruppe Teilnehmer. Wirkliche Unterversorgung lässt sich nur mit aufwendigen medizinischen Untersuchungen nachweisen.

Diese Meldungen wirken tatsächlich beunruhigend, ganz besonders, wenn nicht klar ist, wie die Daten erhoben wurden. Entsprechend greifen Unzählige zu Vitaminpräparaten, deren Nutzen jedoch oft fraglich ist. Manchmal sind sie sogar schädlich. Stattdessen empfehlen auch wir eine ausgewogene Ernährung mit viel frischem Gemüse und Früchten, die sich nicht durch Nahrungsergänzungsmittel ersetzen lassen.

Ausnahmen sind natürlich ärztlich verordnete Mittel, die Vitamine D und B12 sowie mit Jod angereichertes Speisesalz.

In Mitteleuropa jedenfalls gilt die Versorgung mit allen lebensnotwendigen Nährstoffen als gut. Mangelerscheinungen und tatsächlich gemessene Unterversorgungen sind bei Gesunden relativ selten und hängen mit Fehlernährung zusammen.

Referenzwerte

Die Angaben stammen jeweils vom BAG (Bundesamt für Gesundheit), dem BLV (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen) und aus den „DACH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr“. D-A-CH sind die üblichen Länderkürzel für Deutschland, Österreich und die Schweiz und beziehen sich auf die jeweiligen Gesellschaften für Ernährung, die diese Referenzwerte gemeinsam herausgeben.

Die empfohlenen Tagesrationen sollen alle physischen und psychischen Funktionen des Körpers, Gesundheit und Leistungsfähigkeit gewährleisten. Ebenfalls berücksichtigt ist die Bildung von Reserven. Sie sollen zudem dazu beitragen, eine Überversorgung zu vermeiden, die in manchen Fällen fast ebenso schädlich ist wie ein Mangel.

Die Referenzwerte sind mit aller Sorgfalt erarbeitet, doch es bleiben letztlich nur Schätz- und Richtwerte. Dass jemand die vorgeschlagene Tagesdosis eines bestimmten Nährstoffs nicht erreicht, bedeutet nicht zwangsläufig, dass er unterversorgt ist oder gar an einem echten Mangel leidet. Die erwähnten Medienberichte behaupten aber oft genau das. Richtiger Mangel heisst auch, dass sich zumindest die ersten Symptomen einer Mangelerscheinung zeigen.

In Wirklichkeit kann unser tatsächlicher Bedarf mehr oder weniger stark von den Empfehlungen abweichen, abhängig von der Tätigkeit, dem Stoffwechsel, Erkrankungen, Bewegung, kurz, der Person, ihren individuellen physischen Eigenschaften und Bedürfnissen.

Sie sollen also nicht etwa mit diesen Angaben versuchen zu errechnen, ob Sie die vorgeschlagenen Ziele erreichen, sondern die Richtwerte lediglich als Leitlinie betrachten. Falls Sie eine ernsthafte Unterversorgung befürchten, sollten Sie mit Ihrem Arzt darüber sprechen, anstatt einfach zu einem Nahrungsergänzungsmittel zu greifen.

Kaum sinnvoll sind die Beispiele, welche die SGE in ihren eher oberflächlichen zum Download bereitstehenden Beschreibungen der einzelnen Nährstoffe aufführt. Die Autoren listen am Ende der Texte einige Lebensmittel auf, die in der angegebenen Menge den Tagesbedarf eines erwachsenen Mannes decken. Für Vitamin A sind das unter anderem 9 Hühnereier, für Vitamin B3 740 g Rindsbraten oder 640 g Spinat, für Vitamin B6 250 g Linsen, 450 g rohe Kartoffeln oder 500 g Peperoni, für Vitamin C 715 g rohe Kartoffeln und für Vitamin D 485 g frische Morcheln oder Steinpilze.

Jedem halbwegs intelligenten Menschen dürfte klar sein, wie die Angaben gemeint sind. Schlichtere Gemüter könnten dennoch auf die Idee kommen, 9 Eier in ihren Rahmspinat zu mischen. Leider ist das nicht so weit hergeholt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.

Solche Aufzählungen sind sinnlos. Stattdessen wäre es klüger, wenn die SGE mehr ausgewogene Menüvorschläge erarbeiten und veröffentlichen würde. Sie stellt unter der Rubrik „optimaler Teller“ gerade mal 16 vor, davon 5 ovo-lacto-vegetarisch, ein einziger vegan. Am Rande vermerkt: Störend ist, dass diese „optimalen Teller“ unter Mitwirkung von Proviande entstanden sind. Deren Logo und Copyrightvermerk prangen allerdings nur auf den Hintergrundinformationen ebenso wie die der SGE (wäre ja sonst wohl etwas auffällig). Zudem sind die Tellermodelle nicht etwa für die breite Bevölkerung gedacht, sondern für Ernährungsberater. Dabei sollte sich eine Ernährungsgesellschaft das Ziel stecken, dass der einzelne Bürger lernt, sich vernünftig zu ernähren, anstatt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen.

Wichtig ist vor allem eine ausgewogene Ernährung, die nach offiziellen Empfehlungen hauptsächlich viel pflanzliche Lebensmittel, insbesondere auch Vollkornprodukte beinhalten soll. „5 am Tag“ ist die bekannteste und meistzitierte dieser Anregungen: Mindestens fünf Portionen Gemüse und Früchte soll jeder täglich verzehren(die SGE rät jedoch ebenfalls zum Konsum von Milchprodukten und von Zeit zu Zeit etwas Leber für die Vitamin A-Versorgung).

Nährwerttabellen

Die Angaben auf unserer Website stammen grösstenteils aus der „Schweizer Nährwertdatenbank“ (http://www.naehrwertdaten.ch), die im Gegensatz zum deutschen Bundeslebensmittelschlüssel kostenlos zur Verfügung steht. Sie umfasst derzeit (Dezember 2016) rund 10’500 in der Schweiz erhältliche Lebensmittel, darunter auch spezifische Produkte bestimmter Hersteller.

Beim Umgang mit Nährwerttabellen muss man sich allerdings bewusst sein, dass diese Daten einen Durchschnittswert darstellen. Dass Blumenkohl roh 55 mg Vitamin C enthält, heisst also nicht unbedingt, dass das auf den Blumenkohl in ihrem Kühlschrank ebenfalls zutrifft. Abhängig ist der tatsächliche Nährstoffgehalt von der Sorte, dem Boden, dem Reifegrad, der Verarbeitung, Art und Dauer der Lagerung sowie etlichen weiteren Faktoren.

Die Daten stammen aus zahlreichen Laboruntersuchungen von verschiedenen Institutionen und Universitäten. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass trotz sorgfältiger Arbeit der jeweiligen Herausgeber die Unterschiede bei den Angaben zu einzelnen Nährstoffen manchmal mehrere 100 % betragen können. Im Falle unseres beispielhaften Blumenkohls ist das vergleichsweise harmlos: Im Bundeslebensmittelschlüssel ist sein Vitamin C-Gehalt mit 64 mg angegeben, was einer Differenz von 16 % entspricht. Für uns hat das kaum eine Bedeutung.

Anders ist es beispielsweise mit Vitamin A. In pflanzlichen Lebensmitteln kommt nur eine Vorstufe vor, bei der gesundheitliche Schäden durch eine Überdosierung praktisch ausgeschlossen sind. Eine länger anhaltende Überversorgung mit „richtigem“ Vitamin A kann jedoch ernsthafte Folgen nach sich ziehen, wie etwa Leberzirrhose. Als unbedenklich gilt eine Menge bis 3 mg täglich. Wenn nun jemand eine aberwitzige Vorliebe hätte für rohe Schweinsleber und sonst auf Vitamin A-haltige Produkte verzichtet, dürfte er laut Angaben der Schweizer Nährwertdatenbank rund 26 g davon konsumieren, ohne das empfohlene Maximum zu überschreiten (11500 µg pro 100 g). Falls aber die Daten anderer Quellen korrekt sind, die das Drei- oder Vierfache angeben, würde sich derjenige vermutlich einen Leberschaden einhandeln. Das Beispiel unterstreicht auch, wie dämlich es wäre, den Bedarf für einen Nährstoff aus einem einzigen Lebensmittel zu bestreiten.

Ausserdem gilt für all die Datenbanken und Tabellen, dass sie einzelne Fehler enthalten. Das sind möglicherweise Tipp- oder Kommafehler sowie Ungenauigkeiten bei den zu Grunde liegenden Laboruntersuchungen.

Ein ebenfalls wichtiger und oft vergessener Aspekt ist es, dass die Nährwerttabellen unvollständig sind. Angaben für Vitamin K fehlen beispielsweise in der Schweizer Nährwertdatenbank. Sekundäre Pflanzenstoffe bleiben überall unberücksichtigt, obwohl wir sie für unsere Gesundheit ebenso benötigen wie Vitamine und Mineralien.

Dennoch können diese ungefähren Informationen Sie bei einer ausgewogenen Ernährung unterstützen. Sie können damit z. B. feststellen, ob Sie an einem Nährstoff vorbeiessen. Oder Sie entdecken dort ein Nahrungsmittel, das Sie bisher nicht oder zu selten auf Ihrem Speiseplan hatten. Besonders helfen die Daten, eine grobe Vorstellung vom Nährstoffgehalt sowohl einzelner Lebensmittel als auch bestimmter Produktgruppen zu gewinnen. Für eine vegane Ernährung ist so ein breites Grundwissen unabdingbar, für alle Anderen mindestens empfehlenswert.