Toggle (Hamburger) zum Umschschalten des Menüs
Fleischersatz: Vegetarische Würstchen

Bild: Ina Peters / stock.adobe.com

Modebegriff Flexitarier

Seit die Coop-Zeitung 2012 eine eigene Studie präsentierte, der zu Folge sich bereits 40 % der Schweizer als Flexitarier bezeichneten (also Leute, die an manchen Tagen bewusst auf Fleisch verzichten), ist der Begriff endgültig in der Schweiz angekommen. In Deutschland geisterte sogar die Zahl von 40 Millionen Flexitariern durch die Medien, was deutlich imposanter klingt als die Ergebnisse der Untersuchungen, welche eher der Realität entsprechen (unter 10 Mio.).

Zunächst vorab: Natürlich ist es gut, wenn jemand seltener Fleisch isst, teilweise ganz darauf verzichtet und generell mehr auf die Herkunft achtet. Das hat mit vegetarischer Ernährungsweise zwar absolut nichts zu tun, ist aber gesünder, schont die Umwelt und senkt die Nachfrage nach Fleisch. Vor allem, da Flexitarier angeben, ebenfalls Wert auf das Tierwohl zu legen und Produkte aus Massentierhaltung abzulehnen, wäre das ja auch ein kleiner Vorteil für die Nutztiere.

Allerdings müsste sich das auf den Pro-Kopf-Verbrauch auswirken, falls tatsächlich so viele Menschen bewusst weniger Fleisch und Fisch verzehren würden. Nur hat in den letzten 20 Jahren der Fleischkonsum in der Schweiz kaum abgenommen (2015 offiziell 51,35 kg pro Person) und steigt laut „Schweizer Fleisch“ seit 2005 sogar leicht an (in der Schätzung von rund 60 kg pro Person, auf den sich die Medienmitteilung der Organisation bezieht, sind Fisch und Meerestiere eingerechnet). Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland seit 2005 bleibt ebenfalls annähernd unverändert. Diese überprüfbaren Fakten widersprechen also den Ergebnissen der Befragungen, auf die sich die Flexitarier-Zahlen beziehen. Passend dazu ist seit dem Jahr 2000 bei uns die Fleischproduktion um 16 % gestiegen.

Dass sich trotzdem viele selbst so bezeichnen, hängt damit zusammen, dass der Begriff nirgends genau definiert ist. Er umfasst ebenso Leute, die einmal im Jahr Fleisch oder Fisch essen wie jene, die jeden ersten Montag im Monat das Fleisch weglassen. Man kann also Flexitarier sein, ohne auf etwas verzichten zu müssen. Und es liegt im Trend, zu dieser Gruppe zu gehören, die sich ja auch um einiges gesünder ernährt als die „unbekümmerten Fleischesser“.

Schlagzeilen wie „Flexitarier sind die neuen Vegetarier!“ sind für echte Vegetarier und Veganer unter diesem Gesichtspunkt natürlich eine verbale Ohrfeige. Vor allem die eingedeutschte Version „Teilzeit-Vegetarier“ ist zudem reiner Schwachsinn: Das ist so ähnlich wie ein „Teilzeit-Nichtraucher“ oder der „Teilzeit-Antialkoholiker“ (das klingt viel besser als „Quartalssäufer“).

Zahlreiche Vegetarier und Veganer stören sich sehr an diesem Wort und an der (teilweise) dahinter stehenden Haltung, die unverändert Tiere als Ding, als Lebensmittel betrachtet. Mir missfällt zudem, dass Flexitarier zumindest zum Teil Wert auf „ausgewähltes Fleisch“ legen, was sich oft auf die „besten Stücke“ bezieht. Wenn die Leute zwar seltener Fleisch, aber nur noch Filet essen, haben wir am Ende nicht weniger verheizte Tiere, sondern einfach mehr Schlachtabfälle.

Der Trend hat natürlich auch sein Gutes und sorgt dafür, dass die Diskussion um die vegetarische(n) Ernährungsweise(n) in der Öffentlichkeit bleibt. Ausserdem gibt es Einzelne, die tatsächlich viel seltener Fleisch verzehren, was für einige davon den ersten Schritt zum Vegetarismus darstellt. Das sind diejenigen, die feststellen, dass es keinen Verzicht bedeutet, Fleisch und Fisch wegzulassen, dafür einen Gewinn: ein besseres Gewissen und das Gefühl, wirklich zum Tier-, Umwelt- und Gewässerschutz beizutragen, statt nur zu reden.